Internationaler Astronautischer Kongress
56. Internationaler Astronautischer Kongress
Fukuoka (Japan), 17.-21.Oktober 2005
1. Gemeinsam veranstaltet von der International Astronautical Federation (IAF), der International Academy of Astronautics (IAA) und dem International Institute of Space Law (IISL) fand vom 17.-21.Oktober 2005 in Fukuoka (Japan)der 56.Internationale Astronautische Kongress (IAC) statt. In Japan hatte der IAC bisher erst einmal (1980) in Tokyo stattgefunden, in Österreich dagegen schon viermal, nämlich in Innsbruck (1954 und 1986), in Wien (1972) und zuletzt in Graz (1993).
2. Der IAC ist die im Weltmaßstab bedeutendste, jährlich stattfindende Veranstaltung der internationalen Weltraumgemeinschaft, die einen Gesamtüberblick über den Stand von Wissenschaft und Technik in diesem Bereich erlaubt und an der auch Industrie und zahlreiche nationale und internationale Space Agencies teilnehmen.
3. Dementsprechend haben auch in Fukuoka etwa 2000 Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen der Raumfahrt an diesem Kongress teilgenommen, darunter auch die Spitzen der bedeutendsten Space Agencies wie NASA, ESA, ISRO, CNSA oder der russischen Agency RSA.
4. Für Österreich haben neben dem Berichterstatter in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Beirates der ALR der FFG auch noch Prof. KUDELKA (TU Graz) am IAC teilgenommen.
5. Einen Überblick über die zahlreichen technischen Sitzungen gibt das beiliegende Final Program, die gleichfalls angeschlossene CD ROM enthält alle auf dem Kongress präsentierten Papers.
6. An der Eröffnungsveranstaltung nahmen neben Vertretern der japanischen Regierung sowie des Weltraum-Caucus des japanischen Abgeordnetenhauses und Vertretern lokaler Behörden auch die Führungsspitzen der Veranstalter, IAF, IAA und IISL teil. Seitens des eben wiedergewählten japanischen Premierministers KOIZUMI wurde eine Grußbotschaft verlesen.
7. Als eine Art Grußbotschaft an den Kongress kann auch der perfekt getimte neue Weltraumflug zweier chinesischer „Taikonauten“ an Bord von Shenzhou VI gesehen werden, dessen Landung nach einer 5-tägigen Erdumkreisung exakt am Vormittag des 17.Oktober erfolgte. China hat damit neuerlich seinen Anspruch, unter die führenden Weltraummächte gezählt zu werden, dokumentiert.
8. Ebenfalls in sicher nicht unbeabsichtigter Nähe des IAC stand ein am 11.Oktober erfolgreich abgewickelter Rückflug einer SOJUZ Kapsel von der Internationalen Raumstation ISS, mit der der russische Kosmonaut Sergej KRIKALEW einen neuen Rekord für Aufenthalt im Weltraum (803 Tage!) aufstellen konnte. Gleichzeitig wurde der bisher 3.Raumfahrt-Tourist, der US Amerikaner Gregory Olsen, zur Erde zurückbefördert. Angesichts der dzt. Kosten des Raumtourismus (20 Mio. $ für den Flug von G. Olsen) ist aber eine rasche Entwicklung dieser Form der Raumnutzung nicht zu erwarten.
12. Deutlich unterschieden sich auch bei verschiedenen Plenarveranstaltungen, Diskussionen etc. Schwerpunktsetzungen der USA und Europas aber auch anderer global player wie China und Indien. Seitens der USA bleibt nach wie vor die bemannte Raumfahrt Priorität, insbesondere auch im Hinblick auf die von Präsident BUSH in seiner Raumfahrtpolitik vorgegebenen Ziele einer raschen Rückkehr zum Mond. Das amerikanische Interesse an einer Wiederholung der Entsendung von Astronauten auf den Mond nach dem szt. Apollo-Projekt ist ohne Zweifel auch durch die Absicht Chinas zu erklären, gleichfalls eine Mondlandung vorzunehmen.
13. Die Bemühungen der USA werden daher darauf gerichtet sein, rasch einen Ersatz für die veraltete Raumfähre Space Shuttle zu entwickeln, deren nächster Flug zur ISS jetzt für Mai 2006 angekündigt wurde. Danach sollen bis 2010 noch 18 Flüge zur Fertigstellung der ISS und ein weiterer zur Reparatur des Raumteleskops HUBBLE stattfinden. Dabei ist für das bereits fertig gebaute europäische (ESA) Raumlaboratorium COLUMBUS lediglich die Startposition 8 vorgesehen. An der Fähigkeit der USA, in dem knappen Zeitraum von nur vier Jahren tatsächlich 19 Flüge der Raumfähre durchzuführen, wurden in Konferenzkreisen starke Zweifel geäußert.
14. Offen bleibt die Frage, inwieweit die USA jenseits der Kooperation mit Europa und Japan an der ISS an weiteren Projekten transatlantischer (oder transpazifischer) Zusammenarbeit in Fragen der Raumfahrt Interesse zeigen werden. Zwar wurde nach dem letzten EU-US Gipfel über Vorschlag von Präsident BUSH ein transatlantischer Dialog in Weltraumfragen in Aussicht genommen, zu dem erste Kontakte bereits zwischen State Department und der EU-Kommission stattgefunden haben. Dzt. ist aber noch nicht erkenntlich, welchen Inhalt und welche Richtung dieser Dialog haben soll, der zweifelsohne auch dazu dienen soll, europäisch-amerikanische Spannungen zu vermeiden, wie sie bei der Entwicklung des GALILEO Projektes entstanden sind.
15. Von europäischer Seite wurden dagegen stärkere Akzente in Richtung Anwendungen, insbesondere Erdbeobachtung, Telekommunikation etc. gesetzt, wie sie vor allem im Rahmen des GMES Projekts verwirklicht werden sollen. ESA Kreise setzten in diesem Zusammenhang besondere Hoffnungen auf den nächsten EU-ESA Space Council bzw. die Berliner Ministerkonferenz der ESA. Gewisse Befürchtungen werden dahingehend geäußert, dass sich beim Start von GMES ähnliche Probleme ergeben könnten wie bei GALILEO, da es zuerst zu einem, auch industriellen Interessenausgleich zwischen den größeren Weltraummächten in Europa kommen muss. ESA Kreise setzen hier Hoffnungen auf eine mögliche vermittelnde Haltung kleinerer und mittlerer ESA Mitglieder wie Österreich, Schweden oder Belgien.
16. Innerhalb von GMES werde eine noch stärkere Gewichtung in Richtung auf Sicherheitsfragen stattfinden (z.B. Anwendung zur Grenzsicherung der EU gegen illegale Migrationsströme etc.), was auch – neben seiner Bedeutung für den Umweltschutz - die öffentliche Akzeptanz der Raumfahrtpolitik in Europa stärken könne.
17. Deutsche Konferenzteilnehmer erwarten sich von der bevorstehenden Übernahme der Raumfahrtagenden durch einen der „stärksten“ Minister des neuen Kabinetts Merkel (E.Stoiber), der auch als bayrischer Ministerpräsident gegenüber Weltraumforschung- und technologie besonders aufgeschlossen war, ein wieder stärkeres Engagement Deutschlands in diesem Bereich. Denkbar sei auch eine größere Unabhängigkeit der dzt. in die Helmholtz-Gemeinschaft eingegliederten DLR.
18. Den Weltraumstrategien Europas ähnlicher sind die größerer Entwicklungsländer wie Indien oder neuer Industrieländer wie Südkorea, die vor allem auf Anwendungstechnologien wie Erdbeobachtung oder Nutzungen für Telekommunikation (auch für Bildung und Entwicklung) setzen. Allerdings wird in Staaten, die mit regionalen Konflikten konfrontiert sind, die Weltraumtechnologie auch von militärischen Interessen angetrieben (z.B. Entwicklung potenter Launcher durch Indien).
19. In den verschiedenen technischen und wissenschaftlichen Symposien etc. (siehe Beilagen zu Punkt5) waren Schwerpunkte Entwicklungen zu neuen, kostensparenden Raumtransportsystemen (space elevator), der Einsatz von Klein- und Kleinstsatelliten oder Energiequellen für die Raumfahrt, einschließlich der nicht unumstrittenen Verwendung nuklearer Energiequellen im Weltraum. (Zu diesem Thema wird die IAA demnächst eine ihrer Studien veröffentlichen).
20. Ein eigenes, vom IISL organisiertes Symposium war aktuellen Fragen des Weltraumrechts wie z.B. der Frage einer Verkehrsordnung im Weltraum (space traffic management), Fragen eines möglichen Grunderwerbs auf dem Mond oder Problemen, die sich durch eine zunehmende Kommerzialisierung im Weltraum ergeben, gewidmet.
21. Der Pflege des Weltraumrechts an europäischen, nordamerikanischen, asiatischen und pazifischen Universitäten dient der alljährlich veranstaltete Manfred Lachs Moot Court, an dessen Schlussrunde in Fukuoka traditionsgemäß drei Richter des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag teilnahmen. Österreichische Universitäten haben sich bisher an diesem Moot Court noch nicht beteiligt.
22. Im Rahmen des IAC trat auch der neugewählte Board of Trustees der IAA zusammen, in den der Berichterstatter als Vorsitzender der Sektion Sozialwissenschaften wiedergewählt wurde. Seitens der Akademie wurde der Wunsch nach einer stärkeren Mitarbeit Österreichs in diesem globalen Gremium, einschließlich der Nominierung weiterer österreichischer Mitglieder der Akademie (dzt. etwa 10 von mehr als 1000 weltweit) geäußert.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
23. Auch der diesjährige Kongress der IAF zeigte, dass Weltraumindustrie und Weltraumtechnologie, trotz mancher Krisensymptome vor allem in traditionellen Industrieländern nach wie vor ein hohes kreatives und innovatives Potential aufweisen und einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zum Wachstum der Weltwirtschaft, aber auch einzelner, vor allem jüngerer Volkswirtschaften leisten können.
Gleichzeitig ist die Weltraumtechnologie aber auch zu einem heute unverzichtbaren Teil jeder nationalen oder internationalen Sicherheitsstrategie geworden und beherrscht die moderne Kriegsführung wie im Golf- oder Irak-Krieg.
Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang, wie stark sich heute Volkswirtschaften mit hohem Wachstumspotential wie China auf diesem Sektor engagieren und wie sehr dort auch an der Ausbildung einer breiten Schicht wissenschaftlicher und technologischer Experten gearbeitet wird. Diesen Entwicklungen, denen die USA bereits heute besondere Beachtung schenken, sollte auch Europa Interesse zeigen.
Ein weiteres Problem stellen vor allem in Europa, teilweise auch in den USA die Ablöse älterer, auch überalteter Führungskader in Weltraumfragen dar, die zu einer verstärkten Nachwuchspflege, auch im akademischen Bereich einladen. (Typisch in diesem Zusammenhang dass z.B. das dzt. Durchschnittsalter der Mitglieder der IAA, der wohl repräsentativsten internationalen wissenschaftlichen Organisation auf diesem Gebiet dzt. bei ca. 67 Jahren liegt!).
24. Angesichts der Bedeutung, die Weltraumindustrie- und –technik, gestützt auf ihre wissenschaftliche Basis, heute weltwirtschaftlich aber auch weltpolitisch (u.a. durch ihre Sicherheitskomponente) erlangt haben, erscheint daher technologische und industrielle Präsenz in diesem Bereich als wesentliches Element für nationale bzw. kontinentale Sicherheit und Souveränität. Für Europa sichert diese Präsenz die europäische Integration, in der auch Österreich seine Interessen auf diesem Gebiet realisieren kann.
25. Tendenzen und Entwicklungen, wie sie also in diesem Zusammenhang sichtbar werden, sollten auch in die neue europäische Raumfahrtpolitik einfließen.
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